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Einschätzung der Brachfläche nahe dem Regensburger Ostbahnhof (incl. Biotop Nr. R-1414 „Artenreiche Ruderalflur am Ostbahnhof südl. Osttangente“) im Geltungsbereich des BBP 215-I

Der BUND Naturschutz in Bayern e.V., vertreten durch die Kreisgruppe Regensburg (BN-R) hat bereits zweimal (2016 und 2021) im Rahmen des Verfahrens zum Bebauungsplan 215(-I) Stel-lungnahmen abgegeben.

Für ein Schicksal als Lager- und Instanthaltungsstandort für Bahn-Container ist die Fläche aus ökologischer und auch aus städtebaulicher Sicht (Klimafunktion, Naherholung, Belastungen der umliegenden Wohnareale mit zahlreichen Emissionen) definitiv zu „schade“ und denkbar ungeeignet.

20.04.2023

1 Zusammenfassung

Die lange Historie des Areals als unbebaute Freifläche (Dauerkleingartenanlage; amtlich kartiertes Biotop) lässt sich schwerlich mit der Ausweisung als Industriestandort in Einklang bringen. Ein Defizit an Freiflächen im Regensburger Osten wird zwar auch von der Stadtverwaltung eingeräumt, gleichzeitig fehlt ein vorausschauendes Freiflächenkonzept, das über ein planerisches „Klein-klein“ hinausgeht. Oder, um es pointierter auszudrücken: Es droht das „Verramschen“ einer wertvollen und wichtigen innerstädtischen Freifläche für industrielle Zwecke, die auch an siedlungsferneren und ökologisch wenig wertvollen Standorten verwirklicht werden könnten!

Im Folgenden sollen unter „Planung und Klima“ die Klimafunktion der Fläche dargestellt, insbesondere aber unter „PlanungAusgleich und Ersatz“ bisher von uns noch nicht genannte Defizite aufgezeigt und herausgearbeitet werden; in der Erwartung, dass die Informationen in eine revidierte Bewertung des Bauvorhabens mit einfließen bzw. die eingereichte Klage gegen den BBP fachlich möglichst weiter unterfüttern. Zudem sollten unter „Planung <> Ist-Zustand – Ökologische Wertigkeit“ textlich, aber auch mit Bildern von Lebensräumen, Pflanzen und Tieren, die große Natur-Bedeutung der Fläche festgehalten werden. Bei Bedarf kann eine weitergehende Artenliste auf Grundlage der erfolgten Begehungen erstellt werden.

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4 Planung <> Ist-Zustand – Ökologische Wertigkeit:

Biotopkartierung 2008: Über die ökologische Wertigkeit der Fläche am Ostbahnhof gab es bisher widersprüchliche Aussagen. Die amtliche Biotopkartierung geht auf das Jahr 2008 zurück, die Fläche wird hier folgendermaßen beschrieben: „Hier hat sich eine artenreiche Ruderalflur angesiedelt, die eine abwechslungsreiche Vegetation mit geschlossenen Staudenfluren und lückigen Abschnitten aufweist.“ Die sich anschließende botanische Artenliste listet vor allem „Allerweltsarten“ auf, für die keine Schutzempfehlungen ausgesprochen werden, deren ökologischer Wert u.a. für Insekten- und Vogelwelt jedoch hervorgehoben wird. Aus der Tierwelt werden nur (wohl als Zufallsbeobachtungen) Stieglitz und Distelfalter genannt.

BBP 215-I: Stieglitz sowie Dorngrasmücke werden in der Satzung des BBP 215-I als naturschutzfachlich relevante Vogelarten genannt (die Nachtigall sollte hier unbedingt hinzugefügt werden!). Diese stehen auch im Vordergrund der innerhalb des Geltungsbereichs auszuweisenden und zu gestaltenden Ausgleichsflächen, die mit Hecken und Hochstauden als Versteck- und Ansitzmöglichkeiten ausgestattet werden sollen. Da Derartiges bereits jetzt vorhanden ist, stellt sich allerdings die Frage, ob die geplanten Ausgleichsmaßnahmen als solche geeignet bzw. ausreichend sind, da sie ja immer mit einer ökologischen Aufwertung einhergehen müssen.

Erhebungen des BN-R 2022/2023: Zudem sind seit der Kartierung bereits 15 Jahre vergangen, während derer sich der ökologische Zustand des Biotops erheblich verändert haben könnte (zum Guten wie zum Schlechten). Deshalb wurde von Seiten des BN in den vergangenen 12 Monaten ein nicht-amtliches Monitoring durchgeführt (Begehungstage: 2022: 17.4./ 24.4./ 7.5./ 30.5./ 21.8./ 2.9./ 9.10./ 2023: 7.1./ 12.2./ 20.02./ 3.4.) Die Begehungslücke ausgerechnet in den besonders artenreichen Monaten Juni und Juli ist der beruflichen wie privaten Verhinderung der BN-Ehrenamtlichen geschuldet, erhöht aber eher die Relevanz der folgenden Aussagen. Die Erkenntnisse aus diesen Begehungen sind im Folgenden zusammengefasst:

  • Die Ruderalfläche ist weitaus artenreicher als aus der Biotopkartierung (wohl einmalige Begehung im August 2008) entnehmbar. Die dort genannten Arten sind weiterhin relevant, aber in ihrer Gesamtheit weniger dominierend.
  • Neben weiteren, für thermophile Ruderalfluren typischen Arten finden sich eine Vielzahl ungewöhnlicher Arten. Einige von ihnen sind zweifelsfrei als Gartenflüchtlinge zu erkennen (z.B. Gartentulpe, Bastard-Sonnenblume); bei anderen, in Deutschland heimischen Pflanzen, die aber natürlicherweise in anderen Lebensräumen oder nur selten vorkommen, aufgrund ihres Aussehens jedoch attraktiv sind, ist dies zumindest anzunehmen (Deutsche Schwertlilie, Narzisse, Drüsiger Gilbweiderich, Hasenglöckchen, Bergflockenblume, Österreichischer Ehrenpreis, Purpur-Königskerze). Dass sie bis heute ohne Gartenpflege überdauert haben, ohne von konkurrenzstarken Wildpflanzen verdrängt worden zu sein, ist aber immerhin bemerkenswert.
  • Andere seltene, z.T. in der Roten Liste geführte Arten sind so unscheinbar oder unattraktiv, dass eine Gartenherkunft unwahrscheinlich ist (Zwerg-Schneckenklee, Esels-Wolfsmilch, Graukresse, Hügel-Vergissmeinnicht, Bitterkraut, Dreifinger-Steinbrech, Großer Bocksbart). Deren Vorkommen erhöht die ökologische Relevanz der Brachfläche u.E. beträchtlich.
  • Die Erfassung der Tierwelt muss als Folge von kurzen Momentaufnahmen verstanden werden, in denen noch dazu zwei besonders artenreiche Sommermonate fehlen. Dorngrasmücke, Nachtigall und Stieglitz waren neben anderen Vögeln ab April konstant zu beobachten bzw. zu hören. Insekten, Spinnen und Weichtiere waren in großer Vielfalt vertreten, und das nicht nur mit Allerweltsarten. Über das Vorkommen von nachtaktiven Wirbellosen kann man nur spekulieren.
  • Wirbeltiere abseits der Vögel sind durch bloße Beobachtung meist schwerer zu erfassen. Feldhasen wurden bei nahezu jeder Begehung an verschiedensten Stellen gesichtet, man kann deshalb von einer stabilen Population ausgehen. Fledermäuse wurden aufgrund der nur tagsüber erfolgten Begehungen nicht beobachtet, dürften aber angesichts des Nahrungsangebots regelmäßige Besucher sein. Der Behauptung aus dem Begründungsschreiben zu BBP 215-I, dass „im Umfeld (…) noch ausreichend Ausweichjagdreviere vorhanden“ seien, können wir uns aufgrund des rasant fortschreitenden Freiflächenverlustes in der näheren wie weiteren Umgebung nicht anschließen. Zum Vorkommen von Insektenfressern oder Nagetieren neben Maulwurf und Wühlmaus können wir keine Aussage treffen.
  • Eine Zauneidechse wurde inmitten kniehoher Vegetation innerhalb des kartierten Biotops gesichtet, mindestens 100 m von der nächsten vegetationsfreien Stelle entfernt. Das widerspricht der Behauptung, dass diese Spezies nur im Gleisbereich südlich der zu bebauenden Fläche vorkommt, und ganz allgemein nur in vegetationsarmen Lebensräumen. Diese falsche Einschätzung rührt vielleicht schichtweg daher, dass das Reptil an letzteren viel einfacher zu beobachten ist. Bei der Ausweisung von Baugebieten dient sie als bequemes Argument. Es muss u.E. fest davon ausgegangen werden, dass Zauneidechsen auf dem gesamten Areal vorkommen.
  • Die landschaftliche Vielfalt ist weit weniger monoton, als man aus Luftaufnahmen (speziell in den vegetationsarmen Monaten) schließen würde. Im Offenland lösen karge und üppige Vegetationsbereiche miteinander ab, wobei auch die botanische Zusammensetzung inselartig stark variiert. Lockere und dichte Gehölzstrukturen unterscheiden sich ebenfalls, sowohl in ihrem Mikroklima wie im Artenspektrum.
  • Es darf nicht verschwiegen werden, dass der Gleisbereich südlich der Freifläche aufgrund seines besonders ariden Charakters eine Sonderstellung einnimmt. Manche thermophile Spezies haben wir auch nur dort beobachtet (z.B. Kleiner Wiesenknopf, Schmalblättriger Hohlzahn, Blauflügelige Ödlandschrecke). Dieser Bereich soll laut BBP auch erhalten bleiben; aus unserer Sicht auch unbedingt inklusive einiger der nicht mehr genutzten Bahn-Gebäude, inklusive artenschutzgerechter Ertüchtigung wie z.B. als Fledermausquartiere. Eine völlig isolierte Betrachtung der Lebensräume hinsichtlich ihrer ökologischen Wertigkeit scheint uns jedoch – gerade aufgrund der hohen Mobilität und Fluktuation hinsichtlich Populationsdichten typischer Ruderalarten – unzulässig.

Die gesamte Stellungnahme inklusive Bilder der untersuchten Biotop und gefundenen Lebewesen steht hier zum Download bereit!