Pressemitteilung zum "Berg" im Gleisdreick
MZ Artikel vom 28.09.2022: www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/der-riesige-erdwall-im-regensburger-gleisdreieck-soll-umziehen-21179-art2157539.html
„Wenn der Bagger kommt, werden die Zauneidechsen nicht so blöd sein und sich totfahren lassen“: Die im Artikel zitierte Aussage von Martin Schmack in Bezug auf die unter strengem Artenschutz stehende Zauneidechse zeugt von völliger Unkenntnis und ist erschreckend. Es scheint mehr denn je notwendig, über Recht und Gesetz im Gleisdreieck zu wachen.
Wie im Artikel der Mittelbayerischen Zeitung vom 28. September korrekt erwähnt, informierte der Bund Naturschutz (BN), Kreisgruppe Regensburg, nach monatelanger Recherche zum Jahreswechsel 2021/22 in der Causa „Gleisdreieck“ die Staatsanwaltschaft über seine Erkenntnisse. Um dieser eine ungestörte Überprüfung zu ermöglichen, hielt sich der BN seitdem mit öffentlichen Äußerungen zurück.
Die juristische Bewertung überlassen wir weiterhin der Staatsanwaltschaft – wir wollen aber Folgendes klarstellen:
1. Beim „Landschaftsberg“ handelt es sich nach der uns bekannten Aktenlage um eine ungenehmigte Deponie, vor allem mit Material aus einer ehedem angrenzenden Industrieanlage, der alten Zuckerfabrik, dem heutigen „Candis“. Der genaue Inhalt der Deponie kann wohl nicht ausreichend nachgewiesen werden. Den Status eines rechtlich zulässigen Zwischenlagers für Bodenaushub hat die 230.000 m3 mächtige Deponie durch vielfache Überschreitung des für ein Zwischenlager erlaubten Zeitraums seit Jahren verloren. Der Bauunternehmer sparte sich bis dato lange Entsorgungswege und Entsorgungskosten in vermutlich zweistelliger Millionenhöhe.
Möglich war das wohl nur, weil die Stadt nicht gleich zu Beginn mit der notwendigen Klarheit -aus welchen Gründen auch immer- dagegen vorging. Im erstinstanzlichen Gerichtsurteil vom Juni dieses Jahres wurde ein geldbewehrter Bescheid der Stadt Regensburg zur Beseitigung der Deponie aufgehoben. Eine Legalisierung der Deponie war unseres Wissens nicht Gegenstand der Gerichtsentscheidung! Insofern ist die im Artikel zitierte Äußerung der Oberbürgermeisterin, dass „es zum jetzigen Zeitpunkt keine Zustimmung der Stadt“ für eine Verlagerung der Deponie innerhalb des Gleisdreiecks gibt, nachvollziehbar. Für uns stellt sich die Frage, ob es im Ermessen der Stadt stünde, eine ungenehmigte Deponie durch Vor-Ort-Umschichtung oder durch „genehmigtes Liegenlassen“ zu legalisieren.
2. Wegen der hohen Bebauungsdichte im Wohnbauprojekt „Das Dörnberg“ war es nicht möglich, den ökologischen Ausgleichsbedarf innerhalb des Baugebiets selbst zu decken. Der entsprechende Bebauungsplan (BBP 151) sah deshalb die Ausweisung von zwei Ausgleichsflächen im Gleisdreieck vor:
Eine vorgezogene Ausgleichsmaßnahme (sog. CEF-Maßnahme) wurde naturschutzfachlich tatsächlich umgesetzt und existierte bis zum Sommer dieses Jahres. Eine weitere Ausgleichsfläche sollte südlich der ungenehmigten Deponie gestaltet werden. Erstaunlicherweise übernahm die Ferdinand Schmack jun. GmbH diese Ausgleichsverpflichtungen vom Investor des Wohnbauprojekts „Das Dörnberg“. Dies ist u.a. in einem notariell beglaubigten städtebaulichen Vertrag geregelt, der uns im Rahmen einer beantragten Akteneinsicht zugänglich gemacht wurde. Die Stadt fand es offenbar nicht verwunderlich, dass ein Immobilienentwickler das ohne Baurecht ausgestattete Areal des Gleisdreiecks kauft und sich dort noch dazu weitere Kosten für eine Biotopgestaltung und Pflege aufhalst.
Das Areal des Gleisdreiecks ist jedoch gleichzeitig Bestandteil eines in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes (BBP 161). Details der Planungen sind uns bis heute nicht bekannt. Wir sehen aber Probleme, eine alternative Flächenwidmung einer per Satzung bestätigten Ausgleichsfläche zuzulassen. Es hat uns sehr erstaunt, dass auch auf dieser festgesetzten Ausgleichsfläche direkt nach Vertragsabschluss Schutt abgelagert wurde, obwohl -wie gesagt- deren Umsetzung im städtebaulichen Vertrag mit klarer Zeitvorgabe im Gleichschritt zur Realisierung des „Dörnberg“ verankert ist.
3. Im Sommer dieses Jahres schuf der Investor schließlich vollendete Tatsachen, indem er im Bereich der „Ausgleichsfläche“ die ungenehmigten Auffüllungen wieder abtrug und gleichzeitig auch noch die oben genannte CEF-Fläche einebnete. Für dieses Vorgehen gab es unseres Wissens keine Genehmigung und auch kein Einverständnis bzw. Beteiligung der zuständigen Naturschutzbehörden. Soweit unser Kenntnisstand richtig ist, wurde vor Ort die Polizei eingeschaltet; u.a. zur Beweissicherung. Im Bereich des Artenschutzes befindet man sich im Strafrecht. Das Schädigen oder Töten von Zauneidechsen ist strengstens verboten und strafbewehrt.
Wir stellen als Bund Naturschutz fest: Der Stadt Regensburg ist durch ungebremste Bautätigkeit im vergangenen Jahrzehnt ein Großteil der innerstädtischen Rückzugsräume für die heimische Flora und Fauna abhandengekommen und wird durch aktuelle Bauvorhaben wie jenem am Ostbahnhof bald weitere verlieren. Zudem sind die Stadtbewohner, welche in teils immens dicht bebauten Wohnarealen leben, vom Klimawandel nicht zuletzt durch den Mangel an kühlenden Grünflächen/ Frischluftschneisen besonders betroffen. Eine weitere Bebauung steigert die schon jetzt große Hitzebelastung im Sommer und verringert dringend notwendige Freiräume, Erholung und Artenvielfalt.
Für das Gleisdreieck gibt es aus BN-Sicht deshalb nur eine sinnvolle Verwendung: Es komplett von jeglicher Bebauung frei zu halten und dem Klima- und Artenschutz zu widmen!
Ausgerechnet diese Variante scheint für die Stadtplaner aber nicht infrage zu kommen. Selbst Immobilienentwickler Schmack hatte zumindest offiziell schon einmal die Vorstellung von einem „Bürgerpark“ im Gleisdreieck – nun wird der angeblich überfällige Bau von 1000 Wohnungen angemahnt. Auch aufgrund der vielen widersprüchlichen Aussagen stellt sich der Bund Naturschutz gegen eine Bebauung des Areals und fordert Transparenz, Recht und Gesetz beim Umgang mit dem Areal des Gleisdreiecks.
Gez.
Dr. Albrecht-Muscholl Silberhorn / Raimund Schoberer / Et al.